Ernüchterung nach der ersten Saisonniederlage
»Eine miserable Leistung«
von Marc Basten und Jan van Leeuwen

Auf dem Rasen des ehemaligen Westfalenstadions enttäuschten die Gladbacher arg, doch zumindest in der Nachbetrachtung standen sie ihren Mann. Faule Ausreden suchte niemand.

Lucien Favre holte einmal kurz Luft und ließ ein klares Statement folgen: »Dortmund hat verdient gewonnen, sie waren viel besser als wir«. Und damit traf Borussias Trainer den Nagel auf den Kopf. Von Beginn an hatte Dortmund das Heft in der Hand. Schon in der zweiten Minute hätte Marco Reus sein Tor machen können, ja müssen. Und mindestens ein halbes Dutzend weitere Hochkaräter (u.a. zweimal Aluminium) erspielte sich der BVB in der Folgezeit.

Von der viel gelobten defensiven Stabilität der Gladbacher war nicht viel zu sehen. Dortmund kombinierte sich federleicht durch die Linien, während Stranzl, Jantschke und Sommer ständig mit ›Alles-oder-Nichts-Situationen‹ konfrontiert wurden.

Frappierend dazu das Verhalten bei eigenem Ballbesitz. »Es hat das technische Tempo gefehlt«, umschrieb es Favre. »Es war sehr schwer für uns, den Ball zu halten. Sie haben viel Druck gemacht und wir konnten kaum spielen«.

Ballkontrolle war ein Fremdwort

Seine Mannen waren richtiggehend erschrocken, als ständig mehrere Dortmunder pressten. Niemand fand eine Möglichkeit, sich aus diesen Drucksituationen zu befreien. Vor allem Nordtveit und Kramer waren vollkommen überfordert, aber auch für Kruse und die Außenbahnspieler war Ballkontrolle an diesem Abend ein Fremdwort.

»Es war eine miserable Leistung«, brachte es André Hahn auf den Punkt. Nicht eine einzige Torchance in 90 Minuten brachte die Fohlenelf zustande. »So kannst du kein Spiel gewinnen«, sagte Hahn. »Mit viel Glück gehst du mit einem 0:0 hier raus. Aber verdient wäre das nicht gewesen«.

»Dortmund hat vieles richtig gemacht«, erklärte Max Eberl. »Der Sieg war hochverdient, da gibt es keine zwei Meinungen«. Und dennoch gab es eine Phase, in der das Spiel eine Wendung hätte nehmen können. Nachdem der BVB auch nach dem Seitenwechsel vergeblich anrannte, wurden Selbstzweifel bei den Schwarz-Gelben offensichtlich. Parallel dazu schafften es die Gladbacher, den Ball mal ein wenig zu kontrollieren.

Dreifach Scheiße

Es war ein zartes Pflänzchen, das sich da mühsam seinen Weg bahnte. »Es war unmöglich für Dortmund, dieses Tempo über 90 Minuten durchzuhalten«, hatte Lucien Favre erkannt und witterte zu dieser Zeit ebenfalls Morgenluft. Womöglich hätte es dazu geführt, dass die Borussia vom Niederrhein nach hinten heraus gepunktet hätte. Doch ausgerechnet in dieser Entwicklungsstufe sorgte Christoph Kramer für die Dortmunder Wiederbelebung.

»Ich wollte mit Schnitt flach zurückspielen«, sagte Kramer später. Stattdessen versprang der Ball ein wenig und aus dem kontrollierten flachen Rückpass wurde ein absurdes Eigentor aus 45 Metern. »Als der Ball meinen Fuß verließ, dachte ich ›Scheiße‹. Als ich Yann weit vor dem Tor sah, dachte ich nochmal ›Scheiße‹. Als er dann drin war, dachte ich »große Scheiße«.

»So etwas sollte nicht, kann aber passieren«, so Kramer weiter. »Aber wie ich hier 90 Minuten aufgetreten bin, das geht nicht. Das war Scheiße. So viele Fehlpässe habe ich mein ganzes Leben noch nicht gespielt«.

Den Blödsinn zur Seite schieben

»Solch ein Tor habe ich noch nie bekommen«, schüttelte Yann Sommer noch weit nach Schlusspfiff den Kopf. Der Keeper hielt überragend, doch bei Kramers Kunstschuss war er machtlos. »Er hat genug Erfahrung, das wird er wegstecken«, war sich Sommer sicher, dass dieser Fauxpas bei Kramer keinen bleibenden Schaden hinterlassen wird. »Chris wird seine Lehren daraus ziehen«, bestätigte Max Eberl. »Er erlebt ein märchenhaftes Jahr und jetzt kommen vielleicht mal Rückschläge. Damit muss er klarkommen. Es ist, wie es ist«.

Einig waren sich die Beteiligten, dass es nicht nur an Kramers Aussetzer lag, dass man am Ende erstmals in dieser Saison als Verlierer den Platz verließ. »Das Eigentor war eine Kleinigkeit, wenn man sich das ganze Spiel anschaut«, sagte Yann Sommer. »Wir haben verdient verloren. Aber Dortmund war auch sehr stark. Sie gehören nicht dahin, wo sie stehen. Das haben wir heute gesehen«.

Die schöne Serie ist damit Geschichte, das Gerede vom ›Bayern-Jäger‹ und Titelaspiranten auch. Vielleicht kam die Niederlage ja zum richtigen Zeitpunkt, damit alle wieder ihre Sinne schärfen. »Wir müssen den Blödsinn, der uns umgarnt hat, zur Seite schieben«, sagte Max Eberl. In der Länderspielpause gibt es die Zeit dazu.

torfabrik.de


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