23. Dezember 2013 | 18.15 Uhr Borussia Mönchengladbach
De Jongs acht Sekunden und Arango zum Zehnten

Nur Luuk de Jong wird nach Borussia Mönchengladbachs 2:2 gegen den VfL Wolfsburg noch länger wütend gewesen sein. "Die Zehn vom Niederhein" freut sich über die beste Hinrunde seit 37 Jahren und Juan Arangos Freistoß-Jubiläum.

1.) International Was heißt "Relegationsheld" auf Französisch? Ein Kumpel hatte einen Fan mit Belgien-Fahne über den Schultern etwas leichtfertig angetippt und mit gestrecktem Daumen "World Champion 2014" gesagt. Der internationale Besucher im Borussia-Park war mangels Englischkenntnissen verwirrt, antwortete irgendetwas mit "Igor de Camargo". So entstand eine Unterhaltung voller Brocken in diversen Sprachen. Der Belgier wollte wissen, ob Filip Daems spielt. Trost sollte ihm der Hinweis geben, dass der 35-Jährige in Kürze "Rekord-Kapitän" des VfL sein wird. Nur wie sagt man das auf Französisch?

2.) Wettertechnisch Rein meteorologisch ist der Winter angebrochen. Das gibt der "Zehn vom Niederrhein" einen ersten Anlass, über das Wetter zu schreiben. In der Temperatur-Tabelle rangiert das letzte Heimspiel des Jahres gegen den VfL Wolfsburg gewiss nicht im Keller. Noch Anfang April war es gegen die SpVgg Greuther Fürth kälter, nur eben nicht so früh dunkel. Zudem gibt es bei Stadionbesuchen eine Variable, die so im Wetterbericht nie auftaucht – die emotionale Wärme.

3.) Jubiläum Bestwerte dürfte die emotionale Wärme erreicht haben, als Juan Arango in der 64. Minute per Freistoß zum zwischenzeitlichen 2:1 traf. Für den Venezolaner war es ein Jubiläumstreffer – der zehnte direkt verwandelte Freistoß im Borussia-Trikot. Sechs hat Arango zu Hause erzielt, vier auswärts, neun in der Bundesliga, einen in der Europa League. Zu erörtern, welcher Freistoß am schönsten war, sei einem Kunstmagazin in einer Titelstory überlassen.

4.) Zuverlässig Ein paar Minuten lang war jedoch zu befürchten, dass tausende Fans gar nicht sehen könnten, wie der Ball im Tor einschlägt. Während der "Elf vom Niederrhein" zündete in der Nordkurve ein schönes Luftschlangen-Feuerwerk. Die Folge war, dass die Papierstreifen sich im Fangnetz verfingen und eine blickdichte grün-weiße Wand ergaben – dabei hatte das Fangnetz nur seinen Job erledigt. Reißend und schüttelnd machten Borussias Fans die Sicht wieder frei. Wobei die Spielfeldhälfte vor der Nordkurve dank tatkräfitger Unterstützung des Windes aussah wie der Boden eines Partykellers.

5.) Anziehungskraft Nie zuvor war ein Heimspiel gegen Wolfsburg ausverkauft gewesen, 14 Anläufe waren nötig. Aufgrund "baulicher Maßnahmen", wie Stadionsprecher Torsten "Knippi" Knippertz es geschickt umschrieb, genügten 53.301 Zuschauer für ein volles Haus. Da Wolfsburg traditionell so wenige Fans mitbringt, wurden wie schon gegen den SC Freiburg ein paar Sitzreihen im Stehblock für die Gäste installiert. Der bisherige Wolfsburg-Schnitt im Borussia-Park hatte bei 42.718 Zuschauern gelegen. Nach den ersten neun Heimspielen dieser Saison liegt Gladbach mit 51.956 auf Rekordkurs.

6.) Ganz ohne Jupp Zum ersten Mal seit sieben Monaten und vier Tagen hat Gladbach zu Hause wieder Punkte abgegeben. Die Serie von acht Heimsiegen in Folge reiht sich in der Vereinshistorie auf Platz vier ein. Vom 28. August 1976 bis zum 22. Januar 1977 gewann Borussia neun Heimspiele hintereinander, vom 25. April bis zum 3. Oktober 1987 waren es elf, vom 24. August 1983 bis zum 24. März 1984 sogar zwölf. Zum ersten Mal war Jupp Heynckes unbeteiligt an einer derartigen Serie – gegen seine Bayern gab es am 18. Mai dieses Jahres lediglich die bislang letzte Niederlage im Borussia-Park.

7.) Bewegung Auf der Suche nach Gründen für das Ende der Serie wäre wohl niemand darauf gekommen, Borussia eine schwache Laufleistung zu attestieren. Doch 115,6 Kilometer (sieben weniger als Wolfsburg) sind der zweitschwächste Wert der Hinrunde, nur unterboten von 114 Kilometern gegen Bayer Leverkusen. Sogar Christoph Kramer blieb unter der 13-Kilometer-Marke – und das will etwas heißen.

8.) Acht Sekunden Während Lucien Favres Wutausbruch von kurzer Dauer gewesen sein dürfte, wird nur einer nachhaltig sauer über das 2:2 gegen Wolfsburg sein: Luuk de Jong. Der Niederländer durfte in der 94. Minute für exakt acht Sekunden aufs Feld, statistisch gesehen seine 85. Einsatzminute in der Hinrunde. Als Schiedsrichter Günter Perl mit einem Pfiff den Wechsel signalisierte, hielten ihn nicht wenige im Borussia-Park für den Schlusspfiff und packten bereits ihre Sachen zusammen – womit sie dann acht Sekunden später fortfahren konnten. De Jong zog sich sofort das Trikot aus und stapfte in die Kabine mit einer eisigen Miene, die die Erderwärmung aufhalten könnte.

9.) Fünfter 16 Siege, sieben Unentschieden, elf Niederlagen, 55:42 Tore, 55 Punkte – so sieht Borussias Jahresbilanz aus. In der 2013er-Tabelle bedeutet das Platz fünf, knapp vor dem VfL Wolfsburg und mit Tuchfühlung zum FC Schalke 04. Nach einer mittelmäßigen Rückrunde in der vergangenen Saison ist das vor allem der besten Hinrunde seit 1976 zu verdanken.

10.) Optimale 42 Zuzüglich der beiden Europa-League-Spiele gegen Lazio Rom und der DFB-Pokal-Pleite beim SV Darmstadt hat Gladbach in diesem Jahr 37 Pflichtspiele absolviert. 2012 waren es noch 46 gewesen. Scheinbar lautet die Devise "Je mehr, desto besser". Im kommenden Jahr sind wieder maximal 46 möglich. Dafür dürfte der VfL nur knapp in die Europa-League-Qualifikation einziehen, aber würde immerhin das Achtelfinale im Pokal erreichen. Optimal wäre in zwölf Monaten ein Jahresfazit mit 42 Pflichtspielen – denn dann hätte Gladbach unter Umständen direkt die Champions League erreicht. 44 Spiele wären aber auch schwer in Ordnung.

rp-online.de


Die Stimmen außerhalb meines Kopfes irritieren mich am meisten!