»Das war Karneval auf dem Platz«

Marc Basten und Jan van Leeuwen Sonntag, 10. Februar 2013 - 13:06 Uhr
Es war ein verrücktes Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen am Karnevalssamstag. Leverkusen war den Gladbachern in allen Belangen überlegen, dennoch ließen die Gäste zwei Punkte liegen. Die Borussen überzeugten zumindest mit ihrer Moral.

Es war ein schon fast höhnischer Jubel, der in der 44. Minute im Borussia-Park aufbrandete. Gerade hatte Leverkusens Wollscheid den Gladbachern mit einem ungeschickten Kopfball die erste Ecke geschenkt. Seine Mannschaft hatte zuvor schon neun Eckbälle in einer Partie, die der Gast im Stile einer Heimmannschaft komplett beherrschte. Dass nicht schon längst die Weichen auf einen Leverkusener Sieg gestellt waren, lag an den Nachlässigkeiten der Bayer-Stürmer im Abschluss, den sich aufopferungsvoll in die Schüsse der Angreifer werfenden Gladbacher Abwehrspieler inklusive eines reaktionsschnellen Keepers Marc-André ter Stegen. Und auch am Schiedsrichtergespann, das Leverkusen einen ‚Kann-Elfmeter‘ verweigerte und zudem ein wohl reguläres Tor von Schürrle wegen vermeintlichem Abseits nicht anerkannte.

Dass Borussia mit der ersten Ecke dann sogar die Halbzeitführung markierte, war angesichts des Spielverlaufs ein Witz.

»Die erste Halbzeit war überhaupt nicht gut«, sagte Borussias Trainer Lucien Favre anschließend. »Wir hatten unglaubliche Ballverluste. Ganz einfach und ohne Druck haben wir die Bälle einfach an den Gegner gegeben«.

»Wir haben versucht Fußball zu spielen, haben jedoch zu schnell den Ball verloren«, bestätigte Roel Brouwers. »Dann sind wir nur noch hinterher gelaufen. Es war geplant, hoch zu stehen. Doch so kommst du schwer ins Spiel«.

Nach dem Seitenwechsel änderte sich trotz der Führung im Rücken an diesem Gesamtbild nichts. Folgerichtig kam Leverkusen zum Ausgleich. »Danach waren wir etwas mutiger«, sagte Sturmführer Luuk de Jong, der sich bis dahin vor allem mit Defensivarbeit und Ballschleppen aufgerieben hatte.

»Der Trainer möchte, dass wir mit der ganzen Mannschaft verteidigen, also machst du das dann auch«, erklärte de Jong. »Die Aufgabe, die ich mitbekomme, erledige ich halt. Aber bei eigenem Ballbesitz versuche ich vorne in der Mitte zu sein«.

So wie in der 58. Minute, als der Niederländer die neuerliche Führung erzielte. Eine Flanke aus dem Halbfeld, ein Kopfball des Mittelstürmers und schon war der Ball drin. Fußball ganz einfach – aber wirkungsvoll. »Es war eine gute Flanke von Juan und die meisten wissen, dass ich dann auch gefährlich sein kann«, meinte de Jong vielsagend.

»Ich liebe diese Bälle«, ergänzte er. »In der Vorsaison hatte ich mit Ola John und Nasr Chadli zwei klassische, schnelle Außenspieler auf den Seiten, was für jeden Mittelstürmer schön ist«.

»Aber ich kann auch durch die Mitte kombinieren, das ist kein Thema«, ergänzte der 22-Jährige um die ‚political correctness‘ zu wahren.

Die Freude über den dritten Saisontreffer des Mittelstürmers währte allerdings nur zwei Minuten. »Der schnelle Ausgleich nach dem 2:1 darf nicht passieren«, ärgerte sich de Jong. »Leverkusen hat es gut ausgespielt, immer zwischen den Linien. Aber wir haben es ihnen auch zu leicht gemacht«.

»Wir haben uns sehr schwer getan«, bestätigte Martin Stranzl. »Das war teils auch selbst verschuldet. Wir konnten uns die Sicherheit nicht holen, weil wir zu viele einfache Ballverluste in der Vorwärtsbewegung hatten. Das zieht sich aber schon länger hin und ist nichts Neues«.

»Solche Ballverluste, das ist unmöglich«, schüttelte Lucien Favre fast entgeistert den Kopf. Der Trainer nahm ausdrücklich die Abwehrspieler aus der Kritik: »Es war nicht die Abwehr. Das Mittelfeld war unglaublich heute«.

»Wenn wir da nicht zu 100 Prozent top verteidigen, haben wir sofort Probleme«, sagte Favre.

Diese Probleme führten gegen Leverkusen nur vier Minuten nach dem Ausgleich zum 2:3 Rückstand. Positiv aus Gladbacher Sicht, dass die Mannschaft dann nicht zusammenbrach. »Kampfgeist und Moral zeichnen uns aus. Das ist Basis«, sagte Kapitän Martin Stranzl. »Wenn die nicht passt, kann es ganz bitter aussehen. Die Einstellung und der Kampf müssen immer stimmen, wenn es spielerisch nicht läuft. Das ist unsere Lebensversicherung«.

Und diese Moral brachte der Mannschaft auch ohne eine zwingende Schlussoffensive noch den Ausgleich durch ‚Leverkusen-Schreck‘ Patrick Herrmann. »Normal ist das nicht, dass ich ausgerechnet gegen Bayer immer treffe«, wunderte sich Herrmann. »Eigentlich bin ich bei Standards gar nicht eingeteilt mit vorne reinzugehen, aber irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass der Ball da hinkommt. Roel meinte, der Ball von ihm wäre nicht reingegangen. Ich wusste, dass ich nicht im Abseits war, deswegen bin ich auf Nummer sicher gegangen«.

Zum Glück für Borussia in diesem närrischen Spiel, denn der späte Ausgleich war nicht nur für das Punktekonto bedeutend. »Das war Karneval auf dem Platz. Doch für den Kopf war es enorm wichtig, das wir noch den Ausgleich gemacht haben«, sagte Lucien Favre mit Blick auf die komplizierten Aufgaben in den nächsten Tagen und Wochen.

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