Jürgen Klopp unterdrückt mühsam große Wehmut / Anhänger feiern Coach und Team
Vom 19.05.2008
Nach 325 Spielen als Zweitliga-Profi des FSV Mainz 05 und 250 Partien als Erst- und Zweitliga-Trainer am Bruchweg, trennen sich am 30. Juni die Wege von Jürgen Klopp und dem FSV. Nach 18 Jahren Zusammenarbeit.
Nein, ein zweites Mal wollte Jürgen Klopp nicht zum Mikrofon greifen. Oder besser: er konnte es nicht. "Keiner hätte etwas verstanden", sagte der Mainzer Fußballlehrer. Selbst bei diesen Worten vibrierte die Stimme des 40-Jährigen.
Am 12. Mai vergangenen Jahres, nach dem 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach, das den Abstieg aus der Ersten Liga bedeutet hatte, war Klopp im Bruchwegstadion auf die Fans zugegangen. Damals hatte er sie in einer dreiminütigen Rede auf den direkten Wiederaufstieg eingestimmt. Damals endete er mit dem Satz: "Heute ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage." Der 5:0-Sieg von 1899 Hoffenheim gestern gegen Greuther Fürth verhinderte die Einlösung des Versprechens - und führt nun zu Klopps vor Wochen angekündigten Abschied.
Angst vor Gefühlsausbruch
Deswegen kämpfte Jürgen Klopp mit den Gefühlen. "Ich fürchte mich vor dem Augenblick, wo es herausbricht", sagte er. Die Ehrenrunde durch das Stadion beendete Klopp frühzeitig, nachdem ihm auch die Fans des FC St. Pauli ihre Sympathien bekundet hatten. "Das war ein Moment zu viel", so der 05er. Klopp flüchtete sich in die Kabine. Der Chefcoach kam erst zu Fernsehinterviews wieder. Und danach, eine Dreiviertelstunde nach Spielschluss, klatschte er am Zaun noch alte Kumpels ab, aus gemeinsamen A-Jugend-Tagen beim TuS Ergenzingen. Die waren extra nach Mainz beordert worden. Jürgen Klopp: "Wir haben heute alles versucht."
Natürlich wusste Klopp, dass es im Fall des Nichtaufstiegs für ihn persönlich schwer werden würde. Dass die Hoffenheimer zur Pause 1:0 führten, "fand ich noch nicht so dramatisch." In der 64. Minute am Bruchweg fühlte sich Klopp bestätigt. Da sprang er von der Bank auf, drehte sich zu den Zuschauern auf der Haupttribüne, ballte die Finger und brüllte seine Anspannung heraus. Der Grund: "Von nebenan war die Meldung des Fürther 1:1 gekommen", so der 40-Jährige. Doch es war die Nachricht eines nicht gegebenen Tores. Klopp: "So etwas sollte man nicht so häufig mit mir machen." Des Herzens wegen.
Ab dem 3:0 der Hoffenheimer durch Chinedu Obasi in der 77. Minute fügte sich Klopp in das Schicksal: Abschied aus Mainz. Nach 325 Liga-Spielen und 52 Tore in elf Jahren als Profi - 1990 war er von Rot-Weiß Frankfurt an den Bruchweg gewechselt -, nach sieben Jahren als Trainer. Am 28. Februar 2001 war er vom Spieler zum Coach gekürt worden. Den damaligen Abstiegskampf hatte er grandios mit seiner Elf bestanden, nach sechs Siegen, drei Remis und drei Pleiten. Es folgten zwei herzzerreißende Nichtaufstiege, die der Klub vor allem dank des unermüdlichen Antriebs seines Trainers, dessen Fußballsachverstands und Charismas wegsteckte. Und dann erfolgte 2004 der Aufstieg. "Natürlich ist in den Jahren ein besonderes Verhältnis entstanden", sagte Klopp, wieder mit zittriger Stimme.
In der 83. Minute am Bruchweg riefen die 05-Fans erstmals lautstark den Namen des scheidenden Coaches. Als kurze Zeit später beinahe alle im Stadion "You´ll never walk alone" sangen, kam die Partie fast zum Erliegen. Großes Kino, würde Klopp sagen. Bei der Ehrenrunde tippte der Trainer immer wieder mit den Fingern aufs Herz und warf die Hand anschließend den Anhängern entgegen, für die klar war: "Du bist der beste Mann."
Doch die Mainzer Fans hatten auch ein feines Gespür dafür, den Bogen des berechtigten Personenkults nicht zu überspannen. Nach anfänglichen Rufen, die Jürgen Klopp zum Erklimmen des Zauns aufforderten, formierte sich ein lautstarker Chor: "Alle auf den Zaun, alle auf den Zaun, alle, alle..." Anschließend trat der verhinderte Kapitän, Dimo Wache, mit dem Mikrofon auf den Rasen und sagte: "Ich bedanke mich bei euch für eure Unterstützung. Wenn jemand verdient gehabt hätte aufzusteigen, dann ihr. Wir sind nur das ausführende Organ."
Auf der Pressekonferenz gratulierte Pauli-Trainer André Trulsen den drei Aufsteigern Gladbach, Köln und Hoffenheim, sagte dann aber auch: "Es tut mir leid, dass die Mainzer nicht aufgestiegen sind, es waren leider drei Stärkere dabei. Jetzt weiß ich nur nicht, was mit Kloppo passiert, aber ich wünsche ihm alles Gute." Was mit Klopp passiert, wusste dieser noch nicht oder er wollte es zumindest nicht sagen. Nur so viel: Der Abschied aus Mainz steht unwiderruflich fest. "Ich habe reiflich über diese Entscheidung nachgedacht. Sie bleibt." Aber dann vibrierte Klopps Stimme wieder. "Das Ganze wird in den nächsten Tagen schwer genug." Vor allem wohl die Abschiedsfeier von den Fans am Freitagabend in der Stadt.
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