Werder geht mit dem Vorteil und der Last eines 3:0 ins Rückspiel - und der SC Braga lässt Elfmeterschießen üben
Von Oliver Matiszick
BRAGA. Dieses 3:0 am vergangenen Mittwoch, es war ein schönes Ergebnis: schön deutlich. Und, so seltsam es klingen mag, zugleich schön schwierig. Weil es Werder für das heutige UEFA-Pokal-Rückspiel beim SC Braga (22.30 Uhr/live im DSF) aufgibt, ein Spiel zu spielen, von dem alle Welt glaubt, dass es im Prinzip schon gewonnen ist. Einen Spaziergang nennt man so etwas. Aber wenn man sich bei einem Spaziergang verläuft, ist das so richtig peinlich.
Die Werderaner kennen dieses Gefühl. Vergangenes Jahr waren sie schon einmal auf einem vermeintlichen Spaziergang ins UEFA-Pokal-Achtelfinale unterwegs. Auch Ajax Amsterdam war im Weserstadion mit 3:0 geschlagen worden - und das Rückspiel in den Niederlanden wurde ein grausiges Lehrstück darüber, wie man sich noch an den Rand des Abgrunds spielt. Die 1:3-Niederlage reichte zwar zum Weiterkommen, das Ergebnis spiegelte aber nur unzureichend wider, dass Ajax dem Weiterkommen zeitweise wesentlich näher schien als Werder. "Das war doch ein ziemlicher Schrecken damals", blickt Werders Vorstandschef Jürgen L. Born zurück.
Doch die Lektion von Amsterdam 2007 scheint bei den Spielern angekommen zu sein: Die größte Gefahr in Braga geht nicht vom Gegner aus, sondern von der eigenen Einstellung. "Das wird kein Spaziergang", sagt Torwart Tim Wiese, der Elfmetertöter und personifizierte Braga-Besieger des Hinspiels. Bei Stürmer Ivan Klasnic heißt es abgewandelt "keine Spazierfahrt". Kollege Per Mertesacker aus der Innenverteidigung lässt seine Gedanken zwar nicht spazieren, weiß aber, "dass wir uns auf diesem 3:0 nicht ausruhen dürfen".
Also am besten so tun, als wäre vergangene Woche nichts gewesen. Weil ein Fußballspiel zwar 90, in den K.o.-Runden des UEFA-Pokals aber nunmal insgesamt 180 Minuten dauert. Minimum. "Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt", sagt Trainer Thomas Schaaf, "aber das war nur die erste Halbzeit. Wir wissen, dass wir uns noch einmal beweisen müssen." Und zwar so, wie sie sich immer an der Beweisführung versuchen: offensiv, spielbestimmend. "Wenn man dem Ball hinterherlaufen muss - dann tut das weh und kostet Kraft", sagt Sportdirektor Klaus Allofs. Dann doch lieber den Gegner laufen lassen.
Das wird der, wenn auch anders als von Werder beabsichtigt, von ganz alleine tun, schon aus purem Eigennutz. Denn die aktuelle Situation ist alles andere als rosig für den Sporting Club. Dem ernüchternden Ergebnis von Bremen folgte in der portugiesischen Meisterschaft noch eine Heimniederlage - dem Tabellenneunten droht die Mittelmäßigkeit. "Wir sind gerade in einer schwierigen Phase", sagt Bragas schwer in die Kritik geratener Trainer Manuel Machado. Wohl wahr: Den letzten Sieg fuhr seine Mannschaft im Dezember ein.
Doch auch das spielt Werder allenfalls theoretisch in die Karten, vermutet Sportdirektor Allofs. Merke: Wer schon viel verloren hat, hat auch nicht mehr viel zu fürchten. "Gegen uns kann Braga doch ohne große Belastung losspielen", sagt er, "sie werden stürmen und versuchen, dieses eine schnelle Tor zu machen. In der Hoffnung, dass sie dann in einen Lauf reinkommen und ein zweites, drittes nachlegen können."Auf bedingungslose Offensive will Machado dennoch nicht umstellen - er will das Spielsystem mit Roland Linz als einziger echter Spitze beibehalten. Zumal die Probleme seiner Mannschaft momentan in der Defensive liegen: die kassierte 15 Gegentore in den letzten sechs Partien.
Torwart Santos, der im Weserstadion zwischen den Pfosten stand, wird seinen Platz deshalb räumen müssen - um ihn zu schützen, sagt Machado. An seiner Stelle könnte Bragas Nummer drei, der Pole Kieszek, eine Chance erhalten. "Fußball ist eine Sportart voller Überraschungen", sagt Machado, "von daher glaube ich ans Weiterkommen." Also hat er gestern schon mal Elfmeterschießen üben lassen. Könnte ja sein, dass Werder sich auf dem vermeintlichen Spaziergang im Felsenstadion von Braga ein wenig verläuft.
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