Weser-Kurier 17.01.2008

Gute Karten, schlechte Karten


In Werders Mittelfeld und Angriff wird es bei der Besetzung der Stammpositionen eng

BELEK. Belek hat wieder einmal keine Werder-Wünsche offen gelassen. Als Trainer Thomas Schaaf in seiner Trainingslager-Bilanz die Rahmenbedingungen für ein gelungenes Vorbereitungscamp durchging, fielen in der Bewertung durchweg positive Vokabeln: "Optimal. Super. Top-Qualität." Auch sportlich vermittelte der 46-Jährige Zufriedenheit, die Ziele seien erreicht worden. Als gelungen verbucht Schaaf auch die Rückkehr von Torsten Frings ins Mannschaftstraining - es ist einer der wichtigsten Pluspunkte in der Bilanz von Belek.

Das Tor

Pech für Christian Vander: Die Reise nach Belek hätte sich der Wiese-Ersatz auch schenken können. Eine hartnäckige fiebrige Erkältung hat ihm alle Chancen zunichte gemacht, in der Türkei handfeste Argumente für eine Vertragsverlängerung zu sammeln. "Christian hat’s ziemlich umgehauen", bedauerte Thomas Schaaf den Ausfall des 27-Jährigen. So kam der sechs Jahre jüngere U-23-Torsteher Nico Pellatz stärker als erwartet zum Zuge - und der sammelte prompt Pluspunkte. Nach seiner Einwechslung im Spiel gegen Schalke lieferte er 45 starke Minuten ab und klärte dabei gleich dreimal glänzend gegen Gelsenkirchener Angreifer. Auf Dauer könnte er eine Alternative für die Rolle hinter der unumstrittenen Nummer eins Tim Wiese werden.

Die Abwehr

Wenn etwas in den Testspielen deutlich wurde, dann dies: Die Bremer Abwehrformation steht auf tönernen Füßen. Was nichts mit der Qualität des vorhandenen Personals zu tun hat, sondern mit dessen Quantität speziell auf den Außenbahnen. Zurzeit sind nur Linksverteidiger Dusko Tosic und der zum Rechtsverteidiger umgeschulte Finne Petri Pasanen fit, vier potenzielle Spezialisten (Fritz, Owomoyela, Boenisch, Wome) befinden sich noch im Krankenstand.

Eine prekäre Situation, denn Schaaf hat im Falle eines weiteren Ausfalls keine echten Alternativen mehr. Stürmer Martin Harnik übte in zweien der drei Testspiele seine Ersatzrolle als Rechtsverteidiger, allerdings mit wechselndem Erfolg. So hatte der Deutsch-Österreicher im Spiel gegen den FC Schalke 04 allergrößte Probleme mit Gerald Asamoah. Auf der linken Seite ließ Werders Trainer vor allem Youngster Max Kruse antreten. Der 19-Jährige habe gezeigt, "dass sein Weg weiter nach vorne geht", bilanzierte Schaaf dessen Leistung mit einem dicken Lob - es ist als Ansporn für den jungen Mann zu verstehen, fleißig weiterzuarbeiten.

Das Mittelfeld

Die Aussagekraft der Testspiele im Trainingslager war eingeschränkt, wenn es ums Mittelfeld geht. Denn hier sollte sich bis zum Wiederbeginn der Bundesliga-Saison in zweieinhalb Wochen noch einiges tun: Diego und Torsten Frings stehen vor der Rückkehr in die Anfangsformation. Während Schaaf den kleinen Brasilianer bereits beim nächsten Test in Split am Freitag nächster Woche wieder einsetzen will, ist Frings in Belek nach monatelanger Pause endlich ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Der erste Einsatz im Ernstfall ist nur noch eine Frage der Zeit.

Auf der Diego-Position nutzte Schaaf das Fehlen des Ausnahmefußballers für einen Test. Aaron Hunt spielte gegen den Zweitligisten SC Freiburg 69 Minuten lang hinter den Spitzen, gegen Saturn Ramenskoje war er die volle Zeit im Einsatz. Speziell der Auftritt gegen Freiburg gelang - den Umständen eines ersten Testspiels angemessen - zur Zufriedenheit. Die Partie gegen Ramenskoje dagegen blieb ein Muster ohne Wert, Thomas Schaaf nutzte sie, um vor allem den mitgereisten U-23-Spielern Einsatzzeiten zu gönnen.

Sobald Diego und Frings zurück sind, wird es wieder richtig eng im Bremer Mittelfeld. Daniel Jensen, Frank Baumann, Jurica Vranjes, Tim Borowski, Leon Andreasen - sie alle streiten dann um die beiden noch freien Plätze. Schlechte Karten dürfte Kapitän Baumann als Spezialist für die Position vor der Abwehr haben, die wieder an Frings fallen dürfte. Jensen hingegen gilt als gesetzt nach seinen Top-Leistungen der Hinrunde, Vranjes als ständige Option für die Startelf. Fraglich ist der Status von Borowski nach der jüngsten Bekanntgabe seines Wechsel zu den Bayern.

Der Sturm

Boubacar Sanogo, Hugo Almeida und Markus Rosenberg stehen für 19 der 42 Bremer Bundesliga-Tore in der Hinrunde. Hinter dem Trio folgen Ivan Klasnic und Martin Harnik als Alternativen. Aaron Hunt, dessen Verletzungsmisere beendet zu sein scheint, kämpft ebenfalls um einen Platz in der Abteilung Attacke: "Ich gehöre in diese Mannschaft." Und selbst auf John Jairo Mosquera, der im Sommer eigentlich nach Jena ausgeliehen werden sollte, hat Schaaf zuletzt gern zurückgegriffen.

Dass Werder im Angriff so vielseitig besetzt sein könnte, darauf hatte vor Saisonbeginn kaum jemand zu hoffen gewagt. Doch die unerwartete Rückkehr von Ivan Klasnic nach seiner Nierentransplantation und die Genesung von Hunt, den viele schon in der Sportinvalidität gesehen hatten, lassen in der Rückrunde viel Spielraum.

Einziges Manko: Zum Start in die zweite Saisonhälfte ist die Handlungsfähigkeit des Trainers zwangsläufig eingeschränkt. Sanogo spielt mit der Elfenbeinküste beim Afrika-Cup in Ghana und Almeida wegen seines Platzverweises in Hannover keine Rolle. Beide sind - so die Elfenbeinküste nicht wider Erwarten frühzeitig scheitert - erst im dritten Rückrundenspiel wieder einsetzbar. Doch es stehen genügend Stürmer da, die in diese Lücken stoßen wollen.