Kreiszeitung 17.01.2008

Wiese wünscht mehr Defensive


BELEK Tim Wiese windet sich wie ein Aal. In seinem Gesicht ist deutlich zu erkennen, dass er nach den passenden Worten sucht. Nur nichts Falsches sagen, was missverstanden werden könnte. Aber dieser innere Konflikt ist auch schwer zu transportieren: Einerseits zählt nur der Mannschaftserfolg, andererseits empfinden Torhüter Gegentreffer als persönliche Niederlage. Bei Werder musste Wiese häufiger hinter sich greifen, als es bei Spitzenmannschaften üblich ist. Das wurmt ihn - und deshalb fordert er bei allem Lob für das attraktive Bremer Offensivspiel: "Ein bisschen defensiver wäre schon schön."

Die Fakten sprechen klar für Wieses vorsichtige Anregung. 24 Gegentore hat sich sein Team in der Bundesliga-Hinrunde eingefangen. Das ist weitaus mehr als die Konkurrenz in der Spitzengruppe. Bayern führt diese Statistik mit nur acht Gegentreffern an, gefolgt vom Hamburger SV (13), Bayer Leverkusen (16) und Schalke 04 (17). Selbst Aufsteiger Karlsruher SC (21) und Eintracht Frankfurt (23) bekamen in der Hinrunde weniger eingeschenkt als Werder. Wiese hält noch eine andere Statistik parat: "Wir haben die meisten Kontertore kassiert."

Im Trainingslager in Belek wurde bereits intensiv an der Verbesserung der Abwehr gearbeitet. Deshalb ist Wiese auch optimistisch: "Ich gehe davon aus, dass wir uns weniger Tore fangen werden." Und das könnte, so der Keeper, auch der Schlüssel zur Meisterschaft sein: "Wenn wir hinten gefestigt sind, dann könnte es wirklich klappen."

Vor den Bayern hat er jedenfalls keine Angst. Auch nicht vor den berüchtigten Psycho-Spielchen der Münchner in der heißen Phase des Titelkampfs. "Die können uns nicht nervös machen", sagt er. Die Mannschaft lasse sich von nichts beeindrucken, auch nicht von Tim Borowskis Wechsel im Sommer zu den Bayern. "Natürlich haben wir darüber gesprochen, aber nicht lange", berichtet Wiese und lobt seinen Noch-Teamkollegen: "Tim hat es doch besser gemacht als damals Miroslav Klose. Der hat immer gesagt, ich weiß es noch nicht. Dann gab’s da noch dieses Geheimtreffen. Tim hat dagegen frühzeitig reinen Tisch gemacht - und das ist auch gut so."

Gut sei übrigens auch, dass es gestern wieder zurück nach Bremen ging. "Neun Tage Trainingslager reichen", seufzt Wiese. Dabei war es für den 26-Jährigen diesmal ein etwas anderer Türkei-Aufenthalt. "Wir haben weniger Torwarttraining gemacht als sonst", stellt er durchaus verwundert fest: "Aber das werden wir wohl zu Hause nachholen. Die Übungen mit der Mannschaft für Kraft und Schnelligkeit tun mir auch mal ganz gut."

Jedenfalls fühlt sich Wiese schon bestens vorbereitet für die Rückrunde und den Kampf um gleich drei Titel. "Einen will ich mindestens haben. Am liebsten die Meisterschale", verrät er. Dass er durch starke Leistungen noch eine Mini-Chance auf eine EM-Teilnahme hat, hält der Bremer für ausgeschlossen: "Das Thema habe ich schon lange abgehakt. Ich bin halt nicht der richtige Typ für die Nationalmannschaft."

Etwas anderes glaubt er aber dennoch, erreichen zu können: "Vielleicht werde ich ja mal der Rekordmann, mit den meisten Minuten ohne Gegentor." Aber dafür spielt er wohl beim falschen Club . . .