Fortuna-Neuzugang Vom Gefängnis auf den Rasen: Keita-Ruels bewegtes Leben
Ein früher Oktober-Morgen 2011 in Wuppertal. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei bereitet sich auf den Zugriff vor. Etliche, teils schwer bewaffnete Beamte vor Ort. Ihr Ziel haben sie seit Tagen observiert und abgehört: Daniel Keita-Ruel, damals 22 Jahre alter Stürmer des Wuppertaler SV. Gegen 5 Uhr morgens dann der Zugriff, alles geht rasend schnell. „Die Polizisten haben gerufen: »Wir wissen, dass du Fußballprofi bist! Lauf nicht weg, sonst schießen wir dir ins Bein«“, erinnert sich der Deutsch-Franzose, der künftig für den SC Fortuna Köln spielen wird.
100.000 Euro Beute
Zusammen mit sieben Komplizen hatte der bullige, 1,88 Meter große Angreifer im August und September 2011 drei bewaffnete Raubüberfälle in Wuppertal begangen. Zwei Kioske mit Postfilialen und einen Baumarkt – die Beute: knapp 100.000 Euro. „Ich war noch ein kleiner dummer Junge mit den falschen Freunden. Ich wollte cool sein, ich dachte, mir könnte nichts passieren. Es war der größte Fehler meines Lebens“, sagt Keita-Ruel, der bei den Verbrechen „Schmiere gestanden“ hatte.
Rund zwölf Monate später war klar, wie teuer er für diesen Fehler bezahlen musste. Der Fußballer wird, auch weil er einen jener „falschen Freunde“ gedeckt und nicht ans Messer geliefert hatte, zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. „Ich stand als Lügner da, weil mein Komplize damals sofort ausgepackt hat“, sagt Keita-Ruel.
Ein halbes Jahr verbringt der junge Mann im Hochsicherheitsbereich der JVA Wuppertal. „Man hielt mich für gefährlich, wegen der Bandenkriminalität. Das war extrem hart. In der Zelle neben mir hat sich jemand erhängt, andere haben sich die Pulsadern aufgeschnitten“, erinnert sich Keita-Ruel. „Ohne den Rückhalt meiner Familie und die Unterstützung meiner besten Freunde hätte ich die Zeit vielleicht nicht überstanden.“ Doch irgendwann machte es bei ihm „Klick“, auch weil sich ein Zitat bei ihm eingebrannt hatte: „Max Eberl hat nach meiner Zeit in der Gladbacher A-Jugend mal über mich gesagt: »Von Hals bis Fuß ist er Bundesliga, aber der Kopf ist Kreisliga«.“
Sportwart in der JVA Düsseldorf
Weiter Fahrt nimmt sein Wandel auf, als Keita-Ruel nach sechs Monaten Gefängnis wegen guter Führung nach Düsseldorf verlegt wird und erste Haft-Erleichterungen erhält. Er wird Sportwart in der JVA. „Ich habe jeden Morgen eine Stunde lang die Halle geputzt und dann den Sport der Mithäftlinge koordiniert“, sagt der heute 27-Jährige. Sonst gab es kaum Kontakt zu den anderen Gefangenen, „ich habe mich ferngehalten.“ Keita-Ruel konzentriert sich auf sein persönliches Trainingsprogramm. Sein alter Wuppertaler Fitnesstrainer bringt ihm regelmäßig individualisierte Pläne in die JVA. Der Fußballer arbeitet hart an sich. Der Plan, in den Profi-Bereich zurückzukehren, hat sich längst in seinem Kopf manifestiert.
Im Sommer 2014 wird Keita-Ruel in den offenen Vollzug verlegt, er erhält einen Vertrag beim Oberligisten Ratingen 04/19. Seine starken Leistungen sprechen sich schnell rum, ein Jahr später wechselt er zum Regionalligisten Wattenscheid. Zeitgleich wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt – Keita-Ruel ist wieder auf freiem Fuß und kostet sein Leben aus. Unter anderem fliegt der Fußballer für ein Düsseldorfer Mode-Label eines Bekannten um die Welt.
Bewährung läuft bis 2019
Dennoch findet er regelmäßig Zeit, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Ich helfe Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen, erzähle ihnen meine Geschichte, damit sie begreifen, wie tief man fallen kann. Das hilft ihnen vielleicht mehr, als wenn es von einem Sozialarbeiter kommt“, sagt Keita-Ruel. Mit dem Wechsel zu Fortuna Köln folgt nun der nächste Schritt des Fußballers, dessen Bewährung bis Juni 2019 läuft. „Es heißt aber nicht, dass ich jetzt mein Ziel erreicht habe. Denn das bedeutet Stillstand“, erklärt er.
„Ein echter Krieger“
Für seinen neuen Trainer Uwe Koschinat ist diese Einstellung entscheidend für die Verpflichtung gewesen, auch wenn die Gefängnis-Vergangenheit zuerst eine „abschreckende Konstellation“ gewesen sei. „Er bereut diese Dinge bitterlich und hat alles getan, um seine zweite Chance zu nutzen“, sagt Koschinat. „Er ist richtig hungrig, er brennt auf diese Aufgabe. Keita ist jemand, der sich für das Team zerreißt, ein echter Krieger.“
Quelle:
https://www.ksta.de/27020112 ©2017