Wie ein Fan das Länderspiel erlebte
»Schwer bewaffnete Polizisten an den Häuserecken«
Fußballfan Sven* war am vergangenen Freitag im Stade de France, als der Terror losging. Die Geschehnisse verfolgen ihn noch immer.
Sven, Sie waren beim Länderspiel in Frankreich im Gästeblock. Wie haben Sie die Explosionen vor dem Stadion erlebt?
Bei der ersten Explosion ging ich von einem gut platzierten Polenböller aus. Es waren einige alkoholisierte Fans in unserem Block, die die Franzosen zu provozieren versuchten, und die kurz vor dem ersten Knall von anderen Fans aus dem Block geworfen worden waren.
Wenig später knallte es erneut.
Die zweite Explosion war deutlich lauter als die erste und man spürte richtig die Druckwelle im Körper. Da war definitiv jedem klar, dass etwas nicht stimmt. Aber natürlich wusste noch niemand, was passiert ist und niemand wollte über seine Ängste reden oder das Wort »Terroranschlag« in den Mund nehmen.
Wie haben die Fans auf den Knall reagiert?
Der Gästeblock war unter dem Dach, viele Fans standen von ihren Plätzen auf und liefen nach oben, um nachzusehen, woher der Knall kam. Anfangs war jedoch nicht viel zu sehen. Es machten trotzdem schnell Gerüchte die Runde, eine Handgranate sei explodiert oder mehrere Gasfalschen in die Luft geflogen.
Was passierte dann?
Mit der Zeit kamen immer mehr Polizeiwagen und riegelten das komplette Stadion ab. Sämtliche Ordner, auch die des DFB, wurden ins Stadion gebracht, sodass das Außengelände komplett von schwerbewaffneten Polizeikräften gesichert wurden.
Dann knallte es erneut.
Nach der dritten Explosion in der Halbzeitpause war eigentlich fast klar, dass etwas passiert ist. Noch hatte aber niemand von uns Informationen, was los war. Wir sahen nur, dass niemand mehr ins Stadion rein oder rauskam. Ich persönlich stellte mich schon auf eine kalte Nacht im Stadion ein.
Parallel wurde in der Innenstadt bereits geschossen. Wann haben Sie im Block erfahren, dass es sich um einen Terroranschlag handelt?
Wir erfuhren durch Pushnachrichten verschiedener deutscher Nachrichtenseiten auf unseren Handys, was passiert war. Kurz darauf wurde es ja auch von Kommentator Tom Bartels im Fernsehen erwähnt, woraufhin viele mitgereiste Fans Anrufe aus der Heimat bekamen. Im Stadion selbst gab es aber keinerlei Informationen über das, was in Paris passiert ist, vermutlich war es auch besser so. Denn Panik konnte wirklich niemand gebrauchen.
Wie haben Sie den Abpfiff erlebt? Sind Sie auch auf den Rasen gelaufen?
Den Abpfiff haben wir schon gar nicht mehr im Stadion erlebt, da waren wir bereits auf dem Weg in unser Hotel. Die Polizei hat vermutlich die Zeit des Spiels genutzt, um eine sichere Strategie zu entwickeln, wie sie die Fans aus dem Stadion bekommt. Wir entschieden uns, etwas früher zu gehen. In dieser Atmosphäre nach Abpfiff mit 80.000 weiteren Menschen einen einzigen Weg gehen zu müssen, wollten wir nicht. Vom Sturm des Innenraums habe ich nur per WhatsApp von meinen Freunden erfahren. Auslöser der Panik war anscheinend ein knallendes Motorrad.
Wie war die Situation vor dem Stadion?
Alle waren nervös. Wir wurden von der Polizei über abgesperrte Wege zu einem Bahnhof geführt. Manche sprachen leider nur Französisch mit uns. An den Häuserecken auf dem Weg versteckten sich schwer bewaffnete Polizisten, um den Abtransport der Fans zu sichern. Das hat uns natürlich noch nervöser gemacht. Irgendwann sind wir dann in unserem Hotel angekommen und waren einfach nur noch froh. Wir telefonierten zuerst mit Familie und Freunden und verfolgten dann bis spät in die Nacht die Nachrichten. Am Sonntag haben wir uns dann per Bahn auf den Heimweg gemacht, eigentlich wollten wir bis Donnerstag in Paris bleiben.
Was bedeutet dieses Erlebnis für Sie? Werden Sie wieder ins Stadion gehen? Oder erstmal nicht mehr?
Ich habe eine Dauerkarte für die Frankfurter Eintracht und ich werde wie gewohnt ins Waldstadion gehen. Aber es wird sicherlich ein komisches Gefühl sein und ich hoffe sehr, dass niemand irgendwelche Knaller zündet. Im Alltag gehe ich aktuell viel aufmerksamer vor die Tür und scanne unterbewusst jeden, der an mir vorbeigeht. Wenn ich einen lauten Knall höre, zucke ich immer noch zusammen. Aber es muss ja weitergehen.
Sven heißt eigentlich anders, er bat uns um Anonymisierung.
Erlebnisbericht eines deutschen Fans, der vergangene Woche beim Länderspiel in Frankreich dabei war.
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